Eine Trilogie über den Sinn und Unsinn, Tanz als Arbeit zu betrachten
In ‚perform performing‘ untersucht der Tänzer Jochen Roller, zu welchen Bedingungen er seinen Beruf ausübt.
Davon ausgehend, daß Arbeit Lohnerwerb bedeutet, rechnet er im ersten Teil NO MONEY, NO LOVE (Premiere November 2002, Podewil Berlin) aus, wieviel er mit seiner Arbeit verdient und was Tanz eigentlich kostet. Angesichts unzureichender staatlicher Fördermittel folgert er, daß man diverse andere Berufe ausüben muß, um noch als Tänzer arbeiten zu können. Wie man dann während der Arbeitszeit noch eine Tanzperformance proben und produzieren kann, führt er dem Publikum in NO MONEY, NO LOVE vor. Ob als Verkäufer bei H&M, als Call Center Agent bei der Deutschen Bahn oder als Mitarbeiter eines Escort Service, in jedem Job findet Roller Analogien zu seinem eigentlichen Beruf als Tänzer. Aus den Arbeitsabläufen dieser Jobs entsteht NO MONEY, NO LOVE, eine Performance, in der ein Tänzer andere Berufe performt, um daraus eine Kunst zu machen.
Im zweiten Teil der Trilogie, ART GIGOLO (Premiere April 2003, Kampnagel Hamburg), hinterfragt Jochen Roller die Relevanz von Tanz als Kunst und die Idee von staatlicher Kulturförderung. Wessen Steuergelder werden da eigentlich gerade vertanzt? Warum muß Kunst vom Staat gefördert werden? Und wie rechtfertigt man als Tänzer das, was man macht? Auf der Suche nach Antworten auf die Frage nach dem Wert seiner Kunst fokussiert Roller in ART GIGOLO auf die Position, die er durch seinen Beruf auf dem Arbeitsmarkt einnimmt. Er will wissen, ob sich seine Arbeit überhaupt lohnt: Mit der Methodik eines Unternehmenberaters untersucht er die marktwirtschaftliche und gesellschaftliche Relevanz seiner Kunstproduktion. Dabei gelangt er zu dem Ergebnis, daß sich Kunst niemals rentiert, wenn man einmal mit dem Rechnen anfängt. Also bietet er sich dem Publikum als ART GIGOLO an, der dessen Bedürfnis nach Kunst aus reiner Liebhaberei befriedigt.
Im dritten Teil der Trilogie, THAT‘S THE WAY I LIKE IT (Premiere September 2004), versucht Jochen Roller, eine Perspektive für die Zukunft zu entwickeln. Wie verhält man sich als Künstler, wenn die gesellschaftliche Nachfrage nach Kunst nachzulassen scheint und staatliche Kulturförderung so weit gekürzt wird, bis sie nicht mehr vorhanden ist? Aus dem Unvermögen heraus, diese existenzielle Frage für sich als Künstler, dem seine Arbeitsgrundlage entzogen wird, beantworten zu können, befragt er sich selbst in Gestalt von fünf deutschen Steuerzahlern, die so heißen wie er selbst und mit ihrer Arbeit die Arbeit des Tänzers Jochen Roller subventionieren. Mit diesen Doppelgängern entwickelt er im Dialog unterschiedliche Modelle einer kulturpolitischen Zukunftsperspektive, die von den verschiedenen arbeitsbezogenen und soziologischen Realitäten, in denen Jochen Roller jeweils lebt, geprägt sind: Jochen Roller befragt Jochen Roller, welchen Wert Kunst hat, welche Rolle Kunst im Leben von Jochen Roller spielt und was Jochen Roller gerne auf der Bühne sehen würde. Auf diese Weise hofft er, herausfinden zu können, was andere Jochen Roller unter seinem Namen für die Gesellschaft tun und spürt der identitätsstiftenden Funktion von Arbeit nach, um schlussendlich für sich die Frage beantworten zu können, was der Sinn oder Unsinn ist, Tanz als Arbeit zu betrachten.
„If you don‘t start out with canvas, you do all kinds of things, you sit in a chair and pace around. Then the question goes back to what art is. And art is what an artist does, just sitting around in his studio.”
(Bruce Nauman)
Konzept/Choreografie/Performance: Jochen Roller
Künstlerische Mitarbeit (1. Teil): Angela Guerreiro
Künstlerische Mitarbeit (2. Teil): Florian Feigl
Künstlerische Mitarbeit (3. Teil): Dorothea Grießbach
Dame vom Künstlerdienst (1. Teil): Lisa Lucassen
Choreografie ‚Mittarfimmut’ (2. Teil): Rasmus Andrassen
Kamera/Schnitt (3. Teil): Dorothea Grießbach
Performance-video (3. Teil): Jochen Roller
Ton: Lars-Egge Müggenburg
Lichtdesign: Marek Lamprecht
Produktion: Ans Brockfeld
Tourmanagement: DepArtment
Eine Produktion von Jochen Roller und Ans Brockfeld in Koproduktion mit Kampnagel Hamburg, PODEWIL Berlin, IndustrieKultur Saar und FFT Düsseldorf. Mit freundlicher Unterstützung vom mime centrum Berlin. Gefördert durch die Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg